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Die Region um Guillin in Südchina wird von Kennern als die schönste
Landschaft unter dem Himmel bezeichnet. Guillin mit seinen Kegelbergen
am Li-Fluss war die Inspiration für die klassischen chinesischen
Landschaftsbilder mit ihren fantastisch geformten Gipfeln, übersät
mit Pinien und kleinen Pavillons, die häufig von einem Nebelschleier
umhüllt sind. Dichter und Maler haben die besondere Schönheit
der Landschaft schon seit Tausenden von Jahren in ihren Werken verewigt.
Die Berge ragen direkt aus der Ebene empor. Untersuchungen zu Folge war
das Gebiet um Guillin vor 370 Millionen Jahren noch ein ausgedehntes Meer.
Später zog sich das Meerwasser durch die Hebungen der Erdkruste zurück,
hinzu kamen die Verwitterungen und Erosionen. So entstanden viele Gipfelwälder
und alleinstehende Gipfel aus Kalksteinen sowie Höhlen mit Stalagtiten
und Stalagmiten. Eine ausgesprochen schöne und große Tropfsteinhöhle
in Guillin ist die Schilfrohrflötenhöhle, die wir besuchten.
Um 10 Uhr legte unser Schiff im Konvoi mit anderen Touristenschiffen
ab und eine 4stündige aufregende Fahrt abwärts des Li-Flusses
begann. Bei Niedrigwasser fuhren wir 65 km flussabwärts. Anfangs
gab es einen Stau, es hieß, ein Fahrzeug wäre auf Grund gelaufen.
Gut möglich, wir sahen häufig die Gewässersohle und ausgedehnte
Kiesbänke. Den Schiffsführern wurde hohes Können abverlangt.
Die Fahrrinne war nicht bezeichnet, es wäre wohl auch sinnlos gewesen,
denn sie unterlag einer stellenweise sichtbaren natürlichen Dynamik.
Buhnen und Leitwerke zeugten indes an mehreren Stellen vom Flussausbau
im Interesse der Schifffahrt. Wahrscheinlich hätte unser Schiff ohne
diese Maßnahmen nicht die komplette Strecke fahren können.
Am Flussufer sieht man ausgesprochen wenige und auch nur kleine Siedlungen.
Die Hochwassergefahr ist wohl zu groß angesichts der relativ niedrigen
Schutzmauern. Einmal machte uns der Führer auf Unterkünfte für
Rucksacktouristen aufmerksam. Wer dort Urlaub macht, hat die Chance zu
erleben, was auf unzähligen chinesischen Malereien abgebildet ist:
Morgen- und Abendstimmungen am Li-Fluss, Wolken, Nebel und Wasserspiegelungen
der Berge und die traditionelle Kormoranfischerei
in Aktion. Nach alter Tradition werden die Kormorane am Li-Fluss
zum Fischfang für den Menschen abgerichtet. Der Kormoranfischer fährt
in der Dämmerung oder in der Nacht mit seinem Bambusboot auf den
Fluss, vorn auf dem Boot stehen die Lampen, deren Schein die Fische angelockt.
Die Kormorane werden vom Fischmeister an langen Leinen geführt. Sie
schwimmen neben dem Boot und tauchen munter auf und ab. Wenn ein Kormoran
etwas gefangen hat, hat er ein Problem. Sein Hals ist am unteren Teil
so zugeschnürt, dass nur winzige Fische durchrutschen. Die größeren
Fische bleiben ihm regelrecht im Hals stecken. Der Kormoran bleibt dann
still auf dem Wasser liegen. Der Fischmeister zieht ihn an Bord, öffnet
den Schnabel und die Beute purzelt an Bord. Dann wird der Kormoran wieder
in den Fluss geworfen. Um in diesem Zustand selbst satt zu werden, sind
sie auf ihren Gefährten angewiesen.
Wir freuten wir uns über die glücklichen 4 Stunden bei schönem
Wetter und guter Sicht, ein grandioser Anblick jagte den anderen. Ich
war überrascht, dass die Landschaft auf der gesamten Fahrt und nicht
nur an wenigen Stellen bilderbuchähnlich war. Wer bei dunstigem oder
regnerischem Wetter unterwegs ist, geht auch nicht leer aus. Er sieht
vielleicht, wie ein Gipfel nach dem anderen aus dem weißem Schleier
emportritt.
Die meisten unserer Gruppe hatten während der Schifffahrt eine fakultative
Motor-Rikscha-Fahrt durch die ländliche Gegend gebucht. Zwar war
diese sehr laut und wirbelte viel Staub auf, aber die Einblicke in die
Landschaft und das Leben der Bauern machten diese Unannehmlichkeit allemal
wett. An Haltepunkten gab es leider viele lästige Verkäufer,
darunter auch viele Schulkinder, die am heutigen Sonntag die Touristen
regelrecht verfolgten. Insgesamt waren die Leute so aufdringlich, dass
ich beim Filmwechsel leider den Apparat zu früh geöffnet habe
und den ganzen Film versaut habe. Sonst gäbe es hier noch mehr Bilder....
Unsere im Hotelprospekt abgebildete Unterkunft täuscht eine herrliche
Lage an einem See vor. Tatsächlich handelte es sich um einen künstlich
angelegten Teich, was überhaupt eine Spezialität der Chinesen
ist. Während unseres Aufenthaltes war das Wasser abgelassen. Hervor
trat eine Schlammfläche, von der man annehmen könnte, dass sie
Nahrung für Limikolen und andere Vögel bietet. Allerdings sah
ich nie dort einen Vogel. Wiederum bestätigte sich der Eindruck,
dass es in China kaum freilebende Vögel gibt. Unsere Reisegruppe bestieg den direkt am Li-Fluss gelegenen Fuboberg im Zentrum Guillins. Er ragt allein aus der Ebene empor. Seine Höhle ist malerisch und still. Die hervorgehobene Lage versprach einen grandiosen Überblick über die Stadt, unten ist eine Aufnahme beigefügt. Der außergewöhnlichste Berg innerhalb der Stadt hat die Form
eines Elefanten, der seinen Rüssel in den Fluss taucht. Daher rührt
sein Name: Elefantenrüsselberg. Sein Besuch gehörte nicht zum
Programm, wir hatten jedoch eine Stunde Freizeit ganz in der Nähe.
Meine Aufmerksamkeit erregten die durch Buhnenverbau ausgeprägten
Stillwasserzonen mit übermäßigem Algenwachstum. Dahinter
lag eine Vielzahl von Fahrgastschiffen. Um noch andere Blicke zu erhaschen,
besuchte ich den gebührenpflichtigen Park, in welchem sich der Zugang
zum Elefantenrüsselberg befindet. Eine Touristenattraktion sind die
geschmückten Bambusboote, mit denen man unter dem Elefantenrüssel
hindurchfahren oder Fotos von den Fischern mit ihren abgerichteten Kormoranen
machen kann. Dazu reichte die Zeit nicht und vielleicht war es kurz vor
Sonnenuntergang überhaupt schon zu spät. Jedenfalls waren hier
keine Leute. Ich habe das nicht als Nachteil empfunden, denn durch mehrfache
Eisvogelbeobachtungen und anderweitig interessante Eindrücke vom
Flussufer wurde ich ausreichend für mein Kommen belohnt.
Von einem Lebensmittelmarkt in Guillin berichte ich an anderer Stelle.
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